Employer Branding am Uniklinikum Tübingen: Bianca Hermle setzt neue Maßstäbe!
In unserer heutigen Episode sprechen wir mit Bianca Hermle. Sie ist Leiterin der Abteilung Kommunikation und Medien am Uniklinikum Tübingen. Mit ihrem 13-köpfigen Team hat sie bereits einige Preise für ihre kreativen Kampagnen gewonnen. Im Interview gibt sie uns spannende Einblicke in ihre neueste Erfolgsgeschichte: die Employer-Branding-Kampagne „Eine neue Liebe“.
Bianca, du bist ja schon seit 2017 Leiterin der Abteilung Kommunikation am Universitätsklinikum Tübingen. Zum Einstieg: Wie sieht denn ein Tag bei euch in der Abteilung aus?
Was nicht nur im Krankenhaus, sondern in allen Bereichen der Kommunikation gilt, ist, dass man morgens um acht nicht weiß, was man um acht Uhr dreißig macht. Wir sind insgesamt zwölftausend Mitarbeitende in Tübingen, das darf man einfach nicht vergessen, und wir haben 17 Kliniken, die im Prinzip wie kleine einzelne Unternehmen funktionieren. Dadurch kann es immer sein, dass drei Kliniken gleichzeitig irgendwas von uns aus der Komm-Abteilung haben wollen. Wir haben sehr viele Stellen, die auf uns zukommen können. Also nicht nur die Chefärzte, wie man sich das vielleicht denkt, sondern genauso die Pflege und die Verwaltung.
Wie viele seid ihr in der Abteilung?
Ich habe ein 12- bis 13-köpfiges Team, alle mit sehr unterschiedlichen Fokusbereichen, aber auch mit unterschiedlicher Berufserfahrung. Wir setzen uns regelmäßig in kleineren Teams morgens zusammen und besprechen, was wir in Social Media spielen, was wir in der Pressearbeit machen. Pressearbeit ist für uns im Krankenhaus nach wie vor ein wichtiger Baustein. Wir bekommen Hunderte von Presseanfragen im Jahr! Wir machen auch sehr viel aktive Medienarbeit, das heißt, wir bringen unsere Themen an die Medien heran und bestenfalls landen wir dann im ZDF oder im Spiegel.
Ich möchte heute mit dir über eure erfolgreiche Employer-Branding-Kampagne „Eine neue Liebe“ sprechen. Mittlerweile habt ihr schon drei Preise eingeholt. Glückwunsch. Wie kam es zu der Kampagnen-Idee?
Danke. Ich habe vor zwei Jahren, lustigerweise beim Deutschen Preis für Onlinekommunikation, ein Video von einem Tourismusverband gesehen. Dieser hatte einen sehr andersartigen Einstieg, wie man sich das sonst vielleicht nicht für ein Stadtmarketing oder eine Stadt vorstellt. Es ging um die österreichische Stadt Linz. Ich habe das Video gesehen, herzlich gelacht, bin heimgekommen und habe zu meinen Leuten gesagt: „Das machen wir jetzt in Tübingen!“ Dann habe ich unseren Vorständen dieses Video als Blaupause geschickt und gesagt: „Schauen Sie sich das Video an, das würde ich gerne für den Krankenhausalltag bei uns machen.“ Also Klischees vom Krankenhaus erarbeiten, um sie dann in einem Recruiting-Video umzuwandeln. Durch einen spannenden Zufall habe ich den Filmemacher Gerd Büttner entdeckt, den ich vorher überhaupt nicht kannte und mir gedacht, mit dem könnten wir das machen. Nach den üblichen Formalitäten und dem Einholen von Angeboten habe ich ihn angefragt, ob er dieses Video mit uns machen könnte. Dann haben wir mit unterschiedlichen Berufsgruppen im Krankenhaus gebrainstormt; die Klischees mussten von der Pflege, der Wissenschaft, den Ärztinnen und Ärzten und der Verwaltung direkt kommen. Wir haben ihm das ganze Paket übergeben, und er hat daraus dieses satirische Drehbuch geformt, das letztendlich mit sehr viel Spaß und Humor unterfüttert ist.
Wie wichtig war die Einbindung der Mitarbeiter für den Erfolg der Kampagne?
Es ist kein einziger externer Schauspieler dabei, was uns auch medial, also in den Zeitungen, ein unfassbares Renommee gebracht hat. Niemand hätte es für möglich gehalten, dass Mitarbeitende so eine grandiose schauspielerische Leistung bringen können.
„Das Video wurde bei uns am Uniklinikum sehr kontrovers diskutiert. Deshalb war es mir im Nachgang umso wichtiger, dass wir auch sagen konnten: Nein, das hat sich nicht die Kommunikation hier irgendwie überlegt, das ist letztendlich aus den Reihen der Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen heraus entstanden.“, Bianca Hermle, Leiterin Kommunikation und Medien am Uniklinikum Tübingen.
Mit welchen Kriterien habt ihr die Mitarbeiter für die Kampagne ausgewählt?
Wir haben einen Aufruf im Intranet gestartet und um die Einsendung von Bewerbungsvideos gebeten. Selfie-Videos wie zum Beispiel: „Hi, ich bin die Bianca, ich arbeite in der Kommunikation am Uniklinikum Tübingen und ich würde gerne in eurem Video mitspielen, weil A, B, C und D.“ Von diesen Videos haben wir zwischen 40 und 50 Stück aus der Mitarbeiterschaft bekommen. Das Skurrile an der Sache war: Unsere Kolleginnen und Kollegen haben sich auf eine Rolle im Film beworben, ohne zu wissen, für welche. Uns war es wichtig aufzuzeigen, dass wir viele verschiedene Berufsgruppen im Klinikum haben und alle Personal suchen. Wir suchen nicht nur Ärzte und Pflegekräfte, sondern ein breites Spektrum: Mann, Frau, Jung, Alt, unterschiedliche Berufsgruppen, Berufseinsteiger, genauso wie Mitarbeiter in der Verwaltung, in der IT, aber natürlich auch in den medizinischen Bereichen.
Wie kam es zur viralen Verbreitung des Videos? Hattet ihr eine Premierenfeier zum Go-Live?
Wir haben eine interne Premierenfeier zum Go-live gemacht, bei der wir alle eingeladen haben, die im Video mitgespielt haben, plus Freunde und Familie. Natürlich wollten wir das auch feiern, klar. Unser Ziel war auch, dass die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen anfangen, das Video zu teilen. Und das hat letztendlich super funktioniert, da wir in der ersten Nacht schon 10.000 Aufrufe hatten, nur durch das organische Verbreiten. Wir haben festgestellt, das Video hat sich in der „Krankenhaus-Bubble“ ziemlich schnell verbreitet. Man sieht es z. B. an den Kommentaren auf YouTube. Die Hauptweiterleitungsquelle des Videos ist WhatsApp. Natürlich kennen das Video auch viele, die hier wohnen, aber es bewegt sich schon sehr im Krankenhausumfeld. Wir sind auch auf vielen Konferenzen unterwegs und unsere Ärzte und Ärztinnen werden dort regelmäßig angesprochen: „Hey, ihr habt ein tolles Video gemacht!“ oder auch: „Oh Gott, was ist denn das?“ Wir haben es auch auf anderen Kanälen wie LinkedIn gemerkt, dass das Video in der typischen Gruppe gelandet ist, wo es auch landen sollte.
Welche Herausforderungen sind während der Planung und Umsetzung der Kampagne aufgetreten? Und wie habt ihr sie überwunden?
Eine Herausforderung war sicherlich der enge Zeitplan. Wir haben die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen gesucht, ohne dass wir genau wussten, für welche Rollen wir sie eigentlich suchen, weil wir noch gar kein Drehbuch hatten. Das ist alles sehr parallel entstanden, weil wir mit dem Filmteam genau eine Woche hatten, in der gedreht werden konnte. Das war alles ein bisschen knapp. Doch unsere Leute haben super mitgemacht, weil sie uns einfach die Videos geschickt haben, ohne genau zu wissen, wofür. Wir haben ihnen gesagt, es wird anders, es gab so etwas noch nie und es wird sehr humorvoll – mehr nicht. Das hat scheinbar gereicht, dass die Leute so viel Vertrauen in uns hatten.
Die zweite Herausforderung war sicherlich, dass wir mit der Personalabteilung viel mehr Zeit gebraucht hätten, um alles bis ins Detail zu durchdenken – von der Bewerbung über das Video bis zum Einstellungsprozess und zur Vertragsunterzeichnung. Wo sind die Touchpoints? Das haben wir in der Kürze der Zeit nicht geschafft. Das Thema sind wir danach angegangen. Wir hatten den Prozess bis zur Bewerbung im Blick, was danach mit den Bewerbungen passiert war, dann das Aufgabengebiet der Personalabteilung. Wenn wir so etwas nochmal machen, würden wir das sicherlich besser organisieren.
Die dritte Herausforderung während des Drehs war, dass es jederzeit hätte passieren können, dass ein schauspielernder Kollege oder eine Kollegin zum Dienst gerufen werden. Wenn es einen Personalausfall, einen Notfall oder eine dringende Operation gegeben hätte, wäre die Person beim Dreh ausgefallen. Unser Chirurg hätte bei einer Lebertransplantation keinen eingebildeten Chirurgen gespielt, sondern wäre als Transplantationschirurg im Einsatz gewesen. Aber es gab in dieser Woche keinen Notfall. Wir mussten keine einzige Szene anders drehen als geplant.
Hat die Kampagne das Image des Uniklinikums verändert?
Das Image der Uniklinik hat sich durch dieses Video nicht grundlegend verändert; das liegt auch daran, dass das Video kontrovers diskutiert wurde. Wir haben viele Fans, aber auch genügend Leute, die gesagt haben, das geht gar nicht. Aber die, die es ablehnen, würden, glaube ich, trotzdem bei uns ihre Kinder entbinden oder würden nicht kündigen, nur weil die Kommunikation so ein „schräges“ Video gemacht hat. Also nein, ich würde sagen, einen krassen Effekt aufs Image gibt es nicht.
Dieser unkonventionelle Ansatz, von dem wir jetzt schon öfter gesprochen haben, denkst du, dass das langfristig ein Trend bleibt im Employer Branding?
Ich weiß gar nicht, ob ich sagen würde, dass es ein unkonventioneller Ansatz ist, mit Humor oder Satire zu arbeiten. Ich glaube, jedes Employer Branding Projekt muss sich die Frage stellen: Rufe ich bei der Zielgruppe Emotionen hervor? Egal ob Schock, Überraschung, Kopfschütteln oder auch Lachen. Wenn man sich einige Videos anschaut, muss man leider sagen, nein, diese Frage hat sich keiner gestellt. Die herkömmlichen 0815-Employer Branding-Aussagen sind: „Hi, ich bin die Lena und bei uns ist es so nett und wir arbeiten auf Augenhöhe.“ Das sagen aber alle, egal ob es ein Uniklinikum oder ein Energieversorger ist. Das lockt niemanden mehr hinter dem Ofen hervor. Da kann man sich jeden Cent sparen, wenn man nicht eins von diesen emotionalen Kriterien wirklich richtig trifft.
Welche Tipps würdest du anderen Kliniken geben, die ebenfalls eine Employer Branding Kampagne starten möchten?
Sich viel im Netz anzuschauen, was es schon gab oder nicht gab oder was vielleicht super funktioniert hat, ohne dann einen Abklatsch zu schaffen. Sich dann einen Partner oder eine Partnerin suchen, die den Anspruch hat, etwas Außergewöhnliches zu produzieren. Und dann einfach mal machen. Das ist nämlich mein allerliebster Spruch. Wir machen keine Herz-OP, wo man sagt: „Ups, jetzt ist es leider schiefgegangen.“ Darum muss man auch Sachen mal ausprobieren, um zu sehen, ob sie funktionieren.
Wie sieht die Zukunft eures Employer Branding Auftritts auf Social Media aus? Welche Erkenntnisse habt ihr aus der Kampagne gewonnen?
Wir sind seit Anfang März auf TikTok, da gibt es definitiv noch Luft nach oben, weil wir da noch sehr „traditionell“ unterwegs sind. Letzte Woche haben wir einen Workshop mit zwei TikTok-Influencern durchgeführt, die mit uns nochmal an der Positionierung auf TikTok gearbeitet haben. Das mache ich auch gerne, Experten dazu holen und fragen, was wir besser machen können. Ich hoffe jetzt natürlich, dass unsere TikToks besser werden – da haben wir Ehrgeiz entwickelt. Mit unserem Filmemacher von der EB-Kampagne sitzen wir aktuell auch an einem neuen Projekt. Es wird diesmal aber nicht so lustig. Mit dem kommenden Video haben wir den Anspruch, gutes Personal für einen bestimmten Bereich zu gewinnen. Wir hoffen, dass es klappt.
Wie war die Resonanz nach dem Video? Kamen deutlich mehr Bewerbungen rein als vor dem Video?
Ja, wir haben mehr Bewerbungen bekommen und wir hatten 30 % mehr Aufrufe auf der Karriere-Website im Vergleichszeitraum zum Vorjahr. Wir haben auch eine Snippets-Kampagne auf Social Media gestartet, bei der wir Szenen aus dem Video herausgenommen haben und dann im Beitragstext sehr ernst (im Vergleich zum Video) schreiben, was die Benefits sind, wenn man bei uns arbeitet. Auch da ist ein Effekt spürbar. Dass wir jetzt Hunderte von Bewerbungen haben, in Zeiten von Fachkräftemangel, ist leider nicht so. Es wäre auch ein Wunder gewesen, wenn jemand alles über Bord wirft und sagt: „Ich komme von Mannheim nach Tübingen, weil ihr so ein grandioses Video gedreht habt.“ Wir haben aber oft gehört: „Wenn ich könnte, dann würde ich zu euch kommen.“ Und das ist ja auch schon ein großes Kompliment.
Ihr habt schon öfter Preise für eure Kommunikationsarbeit gewonnen u. a. für die Krisenkommunikation während Covid. Wie wichtig sind dir Preise als Anerkennung deiner Arbeit?
Ich gewinne gerne Preise und ich bin auch gerne auf Preisverleihungen. Aber auch unabhängig von meiner Person, glaube ich, ist es für das Ansehen meiner Abteilung sehr wichtig. In der Medizin und Wissenschaft hat Tübingen einen großen Namen. In meiner Kommunikationsabteilung muss ich mich schon anstrengen, um an gute Leute zu kommen. Es zieht auch nicht jeder von München nach Tübingen. Deshalb hoffe ich, dass wir durch diese Preise natürlich auch in unserer Branche Interesse wecken, zum Beispiel auf der Agenturseite, sodass wir Bewerbungen aus den angrenzenden Städten wie z. B. Stuttgart bekommen. Vielleicht auch mal eine Bewerbung aus Mannheim. Oder vielleicht sagt jemand: „Ach, ich wollte schon immer mal nach Tübingen, jetzt bewerbe ich mich.“ Und ich habe es jetzt wirklich bei zwei Leuten, die ich relativ neu eingestellt habe, genauso gehört. Sie sagten: „Ich habe mir eure Preise angeschaut, ich habe mir eure Sachen angeschaut und gedacht, da bewerbe ich mich.“
Habt ihr für die Kampagne eine Agentur eingebunden oder habt ihr sie komplett ohne Agentur konzipiert?
Wir haben die Kampagne ohne Agentur umgesetzt, nur der Filmemacher, zwei Kolleginnen aus meinem Team und ich. Die Idee, dass die Hauptrolle von Putzkräften gespielt wird, ist zum Beispiel bei einem Abendessen mit dem Filmemacher entstanden. Der Filmemacher war im Mai letzten Jahres bei uns und wir haben ihm alle potenziellen Dreh-Locations gezeigt. Am Abend sind wir dann essen gegangen und da kamen wir auf die – das ist wohl nicht zu viel gesagt – bahnbrechende Idee. Darauf ist dann die gesamte Storyline entstanden.