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KI im Design: Ein ehrlicher Blick auf die Zukunft des visuellen Designs

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Keyvisual für Chancen und Grenzen von KI im Design

Künstliche Intelligenz verändert die Designwelt fundamental. Doch wie weit reicht diese Veränderung wirklich? Während KI-Tools heute bereits beeindruckende Resultate liefern, existieren noch erhebliche Grenzen bei komplexen Designaufgaben. Dieser Artikel beleuchtet den aktuellen Stand der KI im September 2025 im visuellen Design und zeigt, in welchen Bereichen die Technologie bereits heute unterstützt und wo menschliche Expertise unverzichtbar bleibt.

Drei Kategorien der KI im visuellen Design

Die Anwendung von Künstlicher Intelligenz im Design lässt sich in drei Hauptkategorien unterteilen, die jeweils unterschiedliche Möglichkeiten und Herausforderungen mit sich bringen:

01 Freies Grafikdesign ohne Corporate Design Vorgaben

In dieser Kategorie entfaltet KI ihr größtes kreatives Potenzial. Ohne strenge Markenrichtlinien können Designer und Kreative die volle Bandbreite KI-gestützter Tools nutzen.

Figma AI als Vorreiter:

Figma’s „First Draft“ revolutioniert die Layout-Generierung: Text-Prompts wie „E-Commerce Store für iPhone-Zubehör“ erzeugen vollständige, editierbare Designs in Sekunden. Das System nutzt proprietäre Design-Bibliotheken und verschiedene Templates für unterschiedliche Anwendungsfälle, teilweise noch in der Beta-Version.

Weitere etablierte Tools:

Praktische Effizienzsteigerung:

Automatische Hintergrundentfernung, realistische Content-Generierung statt Lorem Ipsum und intelligente Layer-Organisation beschleunigen Workflows erheblich und ermöglichen Fokussierung auf strategische Designentscheidungen.

Workflow für KI-gestützte Illustrationsentwicklung.

02 Grafikdesign auf Basis von Corporate Design Vorgaben

Hier zeigen sich sowohl die Stärken als auch die aktuellen Grenzen von KI-Tools. Während die Technologie bei der Adaption bestehender Designs hilft, stößt sie bei der kreativen Interpretation von Markenrichtlinien an Grenzen.

Figma’s intelligente Asset-Verwaltung:

Figma AI revolutioniert die Arbeit mit Corporate Design-Elementen: Die KI-Enhanced Asset Search versteht semantische Bedeutungen – eine Suche nach „Primary Button“ findet relevante Komponenten. Visual Search ermöglicht das Auffinden von Design-Elementen über Screenshots oder Beschreibungen.

Bewährte Workflow-Optimierung:

Aktuelle Limitationen:

Die Integration eigener Design-Systeme ist aktuell noch nicht möglich. Figma plant diese Funktionalität für zukünftige Versionen, wodurch organisationsspezifische Markenrichtlinien automatisch anwendbar werden sollen.

03 Komplette Design-Systeme und Corporate Design Entwicklung

In dieser anspruchsvollsten Kategorie zeigen sich die deutlichsten Grenzen aktueller KI-Technologie, aber auch die vielversprechendsten Entwicklungen.

Verfügbare Tools für Einzelelemente:

Logo-Generierung: KI kann binnen Minuten hunderte Logo-Variationen basierend auf Branche, Zielgruppe und Unternehmenswerten erstellen. Eine Einordnung der Einsetzbarkeit im semi-professionellen Umfeld finden Sie hier

Auf der Basis von 50 initial eingegebenen Farben generiert Khroma hunderte Farbkombinationen.

Farbsystem-Entwicklung: Khroma generiert KI-basierte Farbpaletten, die auf maschinellem Lernen aus menschlich kuratierten Paletten basieren

Intelligente Farbkombinationen: Colormind erstellt mit Deep Learning harmonische Farbschemata, die aus Fotos, Filmen und Kunst lernen

Figma Make: Der Durchbruch für komplexe Systeme:

Figma’s neuestes Tool „Figma Make“ zeigt den Weg zur Zukunft im UX- und UI-Design: Mit Anthropic’s Claude 3.7 Sonnet kann es Design-System-Kontext aus bestehenden Figma-Libraries übernehmen und Code-fähige Komponenten generieren. Die Integration mit Supabase ermöglicht sogar die Erstellung funktionsfähiger Web-Apps direkt aus Designs.

Layout Creator Systeme im Corporate Design:

Ein vielversprechender Ansatz sind eigenentwickelte Layout Creator Systeme, die aus maschinenlesbaren Corporate Design-Beschreibungen automatisch marken-konforme Layouts generieren. Diese Systeme arbeiten mit modularen Design-Elementen, die als Code ausgeliefert werden und vielfältige Layout-Varianten ermöglichen. Der entscheidende Vorteil: Mitarbeiter ohne Design-Expertise können hochwertige, marken-konforme Layouts für Poster, Social Media oder Newsletter erstellen. Immer „on brand“ und ohne zusätzliche Kontrollinstanzen.

Praktische Potentiale:

KI-Tools ermöglichen theoretisch erhebliche Effizienzsteigerungen in der Corporate Design-Entwicklung, von der automatisierten Varianten-Generierung bis zur beschleunigten Konzeptphase. Erste Agenturen experimentieren mit entsprechenden Workflows, belastbare Erfolgsmessungen stehen jedoch noch aus.

Die große Herausforderung: Layout und Typografie

Warum KI bei komplexen Layouts scheitert

Trotz aller Fortschritte existiert eine fundamentale Lücke: Keine KI kann derzeit vollständig autonome, professionelle Layouts mit Satzspiegeln, Grid-Systemen und komplexen typografischen Variationen erstellen.

Technische Hürden:

Professionelle Layouts basieren auf mathematischen Proportionen (beispielsweise 2:3:4:6) und typografischen Traditionen. Kerning, Laufweite, Grundlinienraster und die Balance zwischen verschiedenen Schriftschnitten erfordern geschultes Auge und jahrelange Erfahrung.

Mit Indesign Liquide können Formatanpasssungen vereinfacht werden. Ein Nachbearbeiten ist aber noch notwendig.

Aktuelle KI-Unterstützung:

Adobe InDesign integriert schrittweise KI-Features, Silicon Publishing’s AI Tools ermöglichen Copy-Fitting und automatische Schriftanpassungen. Diese Tools unterstützen Designer, können sie aber nicht ersetzen. Template-basierte Hybrid-Ansätze bieten derzeit die beste Balance zwischen Effizienz und Qualität.

Kritische Herausforderungen und Realitätsprüfung

Das Standardisierungs-Risiko:

Wenn zu viele Designer dieselben KI-Tools verwenden, besteht die Gefahr austauschbarer Ergebnisse. KI-Systeme basieren auf vergangenen Daten und können Innovation hemmen – besonders bei Logo-Generatoren und Template-Systemen.

Rechtliche Grauzone:

KI-generierte Inhalte bewegen sich in rechtlichen Grauzonen. Urheberrechtsfragen und unklare Eigentumsrechte entstehen, wenn Algorithmen auf bestehende Werke zurückgreifen. Für kommerzielle Corporate Design-Anwendungen entstehen neue Herausforderungen.

Menschliche Kreativität bleibt unersetzlich

Design ist mehr als ästhetische Gestaltung, es geht um emotionale Verbindungen und kulturelle Sensibilität. Erfahrene Designer bringen kulturelle Hintergründe, Verständnis für soziale Normen und Zielgruppen-Sensibilität mit ein. Die Entwicklung von Markenstrategien, Interpretation von Kundenbriefings und Übersetzung abstrakter Konzepte in visuelle Sprache erfordern strategisches Denken, das KI derzeit nicht leisten kann.

Der kreative Prozess als Stärke:

Kreativität ist oft non-linear und basiert auf Intuition und spontanen Eingebungen. Professionelle Designer passen ihre Ansätze kontinuierlich an Feedback und neue Erkenntnisse an. Diese adaptive Kreativität bleibt eine menschliche Domäne. 

Fazit: Evolution statt Revolution

Corporate Design bleibt Menschenwerk: Die Entwicklung kompletter Corporate Designs basiert auch heute noch auf menschlicher Kreativität – es gibt keine KI-Abkürzung für strategische Markenentwicklung.

KI optimiert die Umsetzung: In der Implementierung kann KI die Effizienz steigern und Lösungen ermöglichen, mit denen Laien innerhalb entwickelter Corporate Design-Systeme Assets generieren können.

Kulturelle Kompetenz bleibt unersetzlich: Menschliche Erfahrung für Ästhetik, Einordnung kultureller Einflüsse und strategische Markenführung ist unabdingbar.

Die Zukunft gehört Designern und Design Agenturen, die KI als mächtiges Umsetzungswerkzeug verstehen, während sie gleichzeitig ihre einzigartig menschlichen Fähigkeiten in kreativem Denken und kultureller Sensibilität weiterentwickeln. Die Kunst liegt darin, zu erkennen, wo KI die Effizienz steigert und wo menschliche Intuition für Markenidentität und ästhetische Entscheidungen unersetzlich ist.

Die nächsten Jahre werden spannend – nicht weil KI die Corporate Design-Entwicklung revolutioniert, sondern weil die intelligente Arbeitsteilung zwischen strategischer menschlicher Kreativität und effizienter KI-Umsetzung völlig neue Workflow-Möglichkeiten eröffnet.