/Storys

Von der Quereinsteigerin zur Amtfluencerin: Janika Mägerles Erfolgsgeschichte in Tuttlingen

5 Minuten lesen

In unserem neuen Format „Kaffeepause mit …“ führen wir Interviews mit Branchenexperten aus unterschiedlichen Bereichen. In unserer heutigen Episode sprechen wir mit Janika Mägerle, dem kreativen Kopf hinter den Social-Media-Kanälen der Stadt Tuttlingen. Als Social Media Managerin hat Janika die digitale Kommunikation der Stadt auf ein neues Level gehoben. Im Interview gewährt sie Einblicke in ihre Vorgehensweise und zeigt, wie moderne Bürgerkommunikation heute funktioniert.

Janika, du bist seit über fünf Jahren Social Media Managerin bei der Stadt Tuttlingen und verantwortlich für die Kanäle Facebook, Instagram, YouTube und seit über einem Jahr seid ihr auch auf TikTok aktiv. Wie waren deine Anfänge als Social Media Managerin im Amt?

Als ich damals bei der Stadt Tuttlingen angefangen habe, gab es bereits den Facebook und Instagram Account. Der Instagram-Account wurde damals von zwei Abteilungen übergreifend bespielt – jeder hat ein bisschen was gemacht. Aber es war kein Konzept dahinter und auch niemand, der hauptverantwortlich dafür verantwortlich war. Mein Chef, Herr Specht, der Pressesprecher der Stadt Tuttlingen, wusste, dass ich mich mit dem Thema Videos auskenne, weil das Teil meines Studiums war. Er wollte den Bereich Social Media ein bisschen größer aufziehen und mehr Bewegtbild integrieren. Er war damals schon der Meinung, dass Video in Zukunft ein wichtiges Kommunikationsmittel sein könnte. Und das war dann meine Hauptaufgabe, zu gucken, was man in dem Bereich machen kann. Und mich selbst ein bisschen einzufinden, weil ich als Quereinsteigerin nicht so genau wusste, was eigentlich so im Amt passiert. Was gehört alles zur Stadtverwaltung, welche Themen hat man hier? Und auch zu überlegen, welche Kanäle man bespielen kann, was wichtig ist, was die Leute interessiert. Und so hat sich das dann Stück für Stück entwickelt.

Wie hat sich der Content konkret weiterentwickelt, seit du die Social-Media-Kanäle betreust? Wie bist du das Bewegtbild Thema angegangen?

Anfangs hieß das Video-Format bei uns Quadrat-TV. Das Format hatte immer einen klaren Einspieler und auch ein Outro. Das Format gab es so dann ca. 4 Jahre und lief regelmäßig, ca. 2-mal die Woche. Einer der größten Wendepunkte war vor ca. einem halben Jahr, da habe ich bemerkt, dass die Hochkant-Videos aus der Stadt deutlich besser funktionieren, als die querformatigen Videos mit dem Einspieler vorne dran. Denn viele Leute sehen den dreisekündigen Einspieler und scrollen gleich weiter. Da kam mir der Gedanke, wir machen Videos in Hochkant und bauen mehr Menschen mit ein, die man sieht und die auch sprechen. Ich glaube, das hat einen deutlichen Unterschied gemacht, was sich auch in den Viewzahlen zeigt, die deutlich nach oben gegangen sind. Man weiß jetzt sofort, worum es geht, hat eine griffige Hook und nicht den Einspieler, den zwar jeder kennt, aber die Leute, die neu auf unserem Kanal sind, können nichts damit anfangen. Jetzt sieht man Gesichter von Auszubildenden, Erzieherinnen oder mir und hat dann auch gleich mehr Bezug zur Stadt. Denn anfangs hat man ja eigentlich nur meine Stimme gehört, die ich über die Videos gelegt habe.

Warum, denkst du, ist es wichtig, dass Ämter und Behörden auf Social Media präsent sind?

Durch Social Media haben die Leute nicht mehr die Distanz, sondern können auf der Plattform direkt Fragen stellen. Man ist dort, wo sich viele Bürgerinnen und Bürger in ihrer Freizeit aufhalten und man kann auch mal spontan etwas posten, falls es irgendwo in der Stadt brennt oder es einen Unfall gab. Die Informationen lassen sich so sehr viel schneller vermitteln. Es braucht nicht erst eine lange Pressemitteilung, denn man kann sich auf direktem Weg mit den Bürgern austauschen und auch mal schnell nachfragen. Die Themen lassen sich so auch ein bisschen lockerer und einfacher rüberbringen. Wenn ich gerade an das Thema Wahlen denke, welches dieses Jahr für viele Bürger relativ präsent ist, da posten wir aktuell auch immer mal wieder Videos, um das Thema etwas einfacher zu erklären, sodass auch wirklich jeder es versteht und auch Lust hat, wählen zu gehen. Vielleicht kann man so auch den einen oder anderen noch mehr erreichen.

Siehst du einen Unterschied zwischen einem normalen Corporate Influencer in einem Unternehmen und dir als Amtfluencerin?

Aus meiner Sicht ist ein Amtfluencer jemand, der nicht nur als Testimonial vor der Kamera steht, sondern die Kommunikation aktiv hinter der Kamera mitgestaltet. Das können Corporate Influencer in Unternehmen aber auch. Ich finde daher, dass es von der Begrifflichkeit relativ ähnlich ist. Ich glaube, viele denken bei Amtfluencer zum Beispiel an Dominic Artefex oder Conny from the Block. Die gehen eher in die Comedy-Richtung, mit viel Witz und Humor. Daher würde ich da nochmal unterscheiden.

Wie viel Zeit investierst du in die Content- und Videoproduktion?

Es kommt darauf an, was sonst noch so ansteht. Zum Beispiel, wenn ich bei uns im Bereich an der Homepage noch mitarbeite oder allgemein einfach in der Pressearbeit tätig bin, Presseartikel schreibe, habe ich mal mehr, mal weniger Zeit, mir etwas für unsere Social Media Kanäle zu überlegen. Ich würde sagen, die Videoarbeit ist inzwischen mindestens ein Viertel, wenn nicht sogar 30–40 Prozent meiner Arbeit, die ich mache, für alles, was dazugehört: Schnitt, Dreh, Vorplanung, Nachbearbeitung und Hochladen. Einfach auch, weil es inzwischen so viele Kanäle gibt und wir manche Themen nur auf TikTok spielen können. Manchmal gibt es größere Projekte, wie ein Arbeitgebervideo, das dann natürlich mehr Zeit in Anspruch nimmt als ein dreißigsekündiges Video für TikTok. Deswegen ist es variabel, je nach Aufgabe und Zeitpunkt.

Was würdest du einem Amtfluencer-Neuling raten oder jemandem, der für eine Behörde die Social-Media-Kanäle verwaltet?

Mein Rat ist, einfach mal Sachen auszuprobieren und Formate zu testen. Vielleicht ist es ja ein cooles Format, dann entwickelt sich eine Videoreihe daraus. Natürlich muss man auch damit rechnen, dass manchmal Gegenwind kommt. Da hilft es, offene Fragen der Kollegen zu beantworten. Mit lockeren und entspannten Gesprächen klärt sich das aber meist schnell. Hilfreich ist auch, sich die Frage zu stellen, aus welcher Zielgruppe das Feedback kommt. Wenn beispielsweise ein 60-Jähriger etwas gegen unseren TikTok-Account sagt, dann sollte man immer daran denken, ob das die Zielgruppe ist, die erreicht werden soll. Das Feedback also ein bisschen zu hinterfragen, ist auch wichtig und sollte einen erstmal nicht entmutigen.

„Was Neues auszuprobieren, ist, glaube ich, nie verkehrt. Das kann auch in einem Amt gut sein, sich einfach mal was zu trauen.“ – Janika Mägerle, Presse- und Öffentlichkeitsarbeit bei der Stadt Tuttlingen.

Würdest du sagen, dass mit ein Hauptziel deiner Kommunikationsstrategie ist, das öffentliche Bild von Ämtern und Behörden zu verbessern?

Absolut. Ich glaube, man hat immer gleich das Bild vom Beamten, der vor dem Laptop sitzt, im Kopf, aber dass das wirklich nur ein kleiner Teil ist, können sich viele gar nicht vorstellen. Auch wenn ich sage, wir sind fast 900 Mitarbeitende, sind viele erstaunt. Zu uns gehören ja nicht nur die Leute im Rathaus, sondern auch noch viele andere Bereiche. Da kommt schon einiges zusammen: Die Kindergärten, der Bauhof, die städtischen Einrichtungen wie Stadtbibliothek oder Musikschule, unser Ordnungsdienst und vieles mehr. Das sind nicht nur die Leute, die im Rathaus vor dem Bildschirm sitzen, die anderen vergisst man oft. Und für diese Bereiche möchte ich Sichtbarkeit schaffen, weil sie auch eine wichtige Arbeit leisten. Sonst würde unser heutiges Lebenskonzept mit Müllabfuhr, Winterdienst und Polizei einfach nicht funktionieren, wenn es diese Leute nicht gäbe.

Und was würdest du sagen, ist bis jetzt dein größtes Erfolgserlebnis, seit du als Social Media Managerin für die Stadt Tuttlingen tätig bist?

Wenn man nach Zahlen und Fakten geht, dann war das ein Video, das ich vor anderthalb Wochen hochgeladen habe, zum neuen Rathaussteg, der dieses Jahr bei uns gebaut wird. Das ist ein Thema, das in der Vergangenheit auf viel Kritik gestoßen ist. Im letzten TikTok Reel wurde die neue Brücke, die probeweise zusammengebaut wurde, im Video gezeigt. Und da kam viel positiver Zuspruch. Ich glaube, wenn wir das Video nicht gemacht hätten, dann hätten viele noch immer ein negatives Bild gehabt. Das Video hat jetzt 126.000 Aufrufe, über 1000 Likes und wurde 92 Mal abgespeichert – und das bei einer Einwohnerzahl in Tuttlingen von knapp 40.000. So etwas hatte ich in meiner ganzen Zeit hier noch nicht.

Mehr zum Thema Amtfluencer in Städten und Kommunen erfahren Sie hier.